Heute habe ich mir zwei Keynotes auf der Webinale angehört, und zwar Ossi Urchs über das „Phänomen Web 2.0“ und Andreas Steinhauser über die Zukunft des Lesens (mehr oder weniger).
Phänomen Web 2.0
Ossi Urch legt dar, dass es sich beim Web 2.0 nicht um eine neue Technik handelt (nicht in erster Linie), dass es nicht um neues Design geht (nicht nur) und auch kein neues Geschäftsmodell dahintersteht, Web 2.0 ist und steht für
- Lifestyle
- Content free
- Open Access
Web 2.0 ist ein Lifestyle, in dem Inhalt, Musik, Texte, Fotos oder Software frei zur Verfügung stehen. Fast alle Unternehmen sind heute im Web aktiv, vielen stellt sich das Problem, Geschäftsmodelle an diesen anderen Lebensstil anzupassen. Geld ist wenn dann über den Netzwerk Effekt zu machen (Bob Metcalfe: Network Economy). Social Commerce und Digitales Öko-System sind weitere Schlagworte, die im Vortrag fielen (und von mir erst nochmal aufbereitet werden müssen) – hier geht es nicht um Zielgruppen, sondern um Menschen, die sich austauschen und selbst darstellen und damit eigenen Content erstellen.
Digital Native
Die heutigen Hauptnutzer und damit die gesellschaftsbestimmende Schicht von morgen (14-19jährige bzw. -29jährige) sind sogenannte digital Natives. Dieser von Marc Prensky bereits 2001 geprägte Begriff besagt in der Kurzform nichts anderes, als dass diese Altersgruppe völlig natürlich mit dem Internet und anderen digitalen Technologien als Massenmedium aufwächst, während sich die Generationen davor, die digital immigrants, dieses Wissen mühsamer aneignen müssen (Teil 1 und Teil 2 als PDF).
Trend: mobile Web
Als wichtigsten Trend für die Zukunft sieht Urchs die Entwicklung des mobile Webs an -Kennzeichen: multimedial, sozial, interaktiv; 2008 waren in Deutschland (das ja, was zum Beispiel die Social Media Nutzung betrifft eher hinterher hinkt) bereits 10,4 Mio Menschen mobil online. Wir reden mittlerweile auch vom real world web – jede Straße ist inzwischen im Netz auffindbar, die Welten verschwimmen also. Die große Wolke Web diversifiziert sich wieder in viele kleine Wolken.
Tipps fürs Unternehmen 2.0
„Das Internet verändert alles. Stellen Sie sich darauf ein, sonst wird es eng“ (Tom Peters nach Ossi Urchs, sinngemäß)
Das Wichtigste für Unternehmen und Entrepreneurs, die sich an Social Media heranwagen: „learn to listen“, kommuniziere menschlich, gib deinem Projekt ein persönliches Gesicht, bilde soziale Netzwerke um deine Kunden, etabliere offene Plattformen und nutze das Wissen deiner Kunden (crowd-sourcing), sei „Enabler“ deiner Kunden und lerne von digital natives.
Der komplette Vortrag von Ossi Urchs steht auf seiner Website als Powerpoint Datei zum Download bereit (vielleicht auch eine ältere Version).
Elektronische Lesegeräte verändern unsere Kultur
Die zweite Keynote bestritt Andreas Steinhauser von txtr. Txtr ist eine Plattform, die im Oktober gelauncht wird (bislang nur Beta, Texte gibts auch noch nicht allzuviele) und einen eigenen EReader auf den Markt bringen wird, dessen Besonderheit in der Funkschnittstelle besteht – Contentaustausch von txtr-Reader zu txtr-Reader wird damit problemlos möglich sein, was eine ziemlich gute Idee ist.
Die Keynote: Nach einer kurzen geschichtlichen Einordnung, Gutenberg und der Buchdruck als mediale Revolution lassen grüßen, gehts los:
Bücher (Papierbücher), Verlage und Buchläden werden laut Steinhauser nicht verschwinden, aber sie werden sich wandeln. Bücher – Regalfüller und museale Objekte, Verlage – ?! und Buchläden in Cafés. Für ihn liegt die Zukunft des Lesens als asynchroner Tätigkeit im EReader und zwar natürlich speziell im eigenen txtr-Reader – ein richtiges Argument, warum das so sein wird, außer dass die Technik immer besser wird, habe ich allerdings nicht gehört.
Eine Frage der Länge und Technik
Weiterhin meint Steinhauser, dass in Zukunft die Textlänge generell abnehmen wird außer bei Belletristik – die ja auch schön als Fortsetzungsdownload vorstellbar ist, jeden Morgen gibt es ein neues Häppchen für die Fahrt mit der U-Bahn zur Arbeit. Das hört sich allerdings überzeugend an und klappt in Japan ja auch schon sehr gut als Handy-Roman. Er geht soweit zu sagen, dass in Zukunft nur noch die Textlänge zwischen Magazinen und Büchern unterscheiden wird und meint, dass in drei Jahren bereits Displays auf dem Markt sein werden, die farbige Magazin-Print-Qualität haben.
Geschäftsmodell der Zukunft?
Prinzipiell stimme ich ihm in vielem zu, auch darin, dass viele in der Branche Schwierigkeiten haben werden, sich auf diese Änderungen einzustellen – mehr als eine oberflächliche Einführung ins Thema EPublishing konnte die Keynote aber nicht bieten, ansonsten war es eine Vorstellung des txtr Projekts, das ich mir später nochmals angucken werde. Die brennenden Fragen der Branche – wie kann ich mein Geschäftsmodell ändern- blieben offen, dass es weiterhin Verlage geben wird wurde behauptet aber nicht begründet, skizziert wurde die Zukunft wie txtr sie sieht, zwar interessant aber argumentativ kaum unterfüttert.
Schlagworte: ereader · Lesen · mobile web · txtr · Verlage1 Kommentar
Tja, auf die entscheidende Frage hat eben noch keiner eine Antwort gefunden: Wie kann ich als Autor oder Künstler mit dem Web 2.0 Geld verdienen – sprich existieren? Ein befreundeter Berufsmusiker sagte mir gestern „Thomas D kann es sich leisten zu sagen: klaut meine Musik aus dem Netz! Er hat ja bereits mithilfe der viel gescholtenen Plattenindustrie eine Menge Geld verdient.“